Am 19. August 2022 wurde von der steirischen Landesregierung ein erstes Maßnahmenpaket für den Bereich elementare Bildung vorgelegt.

Bereits am 11. August haben wir Landesrat Amon folgendes schriftliches Feedback zum ersten uns damals vorliegenden Maßnahmenpaket-Entwurf geschickt, das wir aufgrund der entbrannten Diskussion hier in Ausschnitten mit euch teilen möchten:


“(…) Der aktuelle Personalmangel besteht hauptsächlich aufgrund der qualitativen Rahmenbedingungen. Diese machen es unattraktiv im Beruf zu bleiben oder (wieder) einzusteigen. Deswegen sehen wir es als problematisch, dass die drei von Ihnen präsentierten Maßnahmen, die als erstes wirksam werden sollen, die Qualität in den Einrichtungen kaum bzw. eine Entlastung der Kolleg:innen nicht adressieren.

Die Verlängerung des Dispens und die finanzielle Prämie für Neu- und Wiedereinsteiger bringen eventuell kurzfristig einige Kolleg:innen mehr ins System, diese finden dort dann aber dieselben mangelhaften Arbeitsbedingungen vor. Die Staffelung der Elternbeiträge in Kinderkrippen ist aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit sehr zu begrüßen, aber wird den Druck auf die Einrichtungen und die prekäre Personalsituation durch einen potenziell höheren Andrang auf Krippenplätze vorerst erhöhen. Umso wichtiger ist die Attraktivierung des Berufsfeldes durch z.B. die Senkung der Kinderanzahl in den Gruppen.

Wir befürchten auch, dass die Prämie für Neu- und Wiedereinsteiger:innen ohne zeitgleiche finanzielle Attraktivierung für bestehendes Personal von letzterem als Affront aufgefasst werden wird. Schließlich sind es unsere jetzt in den Einrichtungen stehenden Kolleg:innen, die in den letzten Jahren das System aufrecht erhalten und für Verbesserungen gekämpft haben. Hinzu kommen die weiterhin bestehenden Diskrepanzen bei den Gehältern je nach Träger, Stichwort „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“; sowie das ausgebliebene Anrechnen von Vordienstzeiten und Zusatzausbildungen.

Eine Verringerung der Gruppengrößen stellt für alle Kolleg:innen im Elementarbereich die größte qualitätsfördernde Maßnahme dar und muss dringlichst umgesetzt werden. Eine jährliche Senkung der Kinderhöchstzahl um zwei Kinder (statt nur einem Kind), würde die Erreichung der maximalen Gruppengröße von 19 Kindern bis 2026/2027 ermöglichen, was dem wissenschaftlichen Standard von qualitätsvollen elementaren Bildungseinrichtungen weiter entgegen käme (siehe www.elementarbildung.at). Da es ja weiterhin Überschreitungsmöglichkeiten geben soll, könnten etwaige Engpässe an Betreuungsplätzen abgefangen werden.

Die unserer Meinung nach wirklich wichtigen und dringendsten Maßnahmen Ihres Pakets für eine rasche qualitative Verbesserung und Entlastung nach der Senkung der Kinderanzahl sind 1) die Überschneidungszeiten, 2) der Personal-Reservepool und 3) die Entbürokratisierung (zusammen mit einer Ausweitung der Leiter:innenfreistellung).

Ad 1): Eine erste Entlastung des Personals müsste durch eine Überschneidungszeit von 2 Stunden (statt der letztens im Paket angedeuteten 1 Stunde) sowohl für Pädagog:innen als auch für Betreuer:innen umgesetzt werden. Hier kann nach dem Vorbild der Pläne der Stadt Graz idealerweise auf bereits vorhandenes Personal mit Teilzeitanstellungen zurückgegriffen werden. Wir sehen diese Überschneidung nicht nur als Maßnahme für eine gut strukturierte pädagogische Übergabe von Vormittags- zu Nachmittagsdienst, sondern als generelle Entlastung durch mehr Personal zu den Kernzeiten, wo also die meisten Kinder in den Einrichtungen sind. (Unser langfristiges Ziel ist es, dauerhaft 2 Pädagog:innen und 1 Betreuer:in über die gesamte Öffnungszeit in jeder Kindergartengruppe zu haben und aliquot den Fachkraft-Kind-Schlüssel in Krippen zu verbessern). Generell streben wir an, dass extreme Teilzeitanstellungen (…) unattraktiv für Träger werden müssen und Vollzeitanstellungen – oder solche die je nach Wunsch des Personals möglichst nahe daran liegen – die Mehrheit darstellen.

Ad 2): Der Personal-Reservepool ist ebenfalls extrem dringend und wurde ja bereits 2019 angekündigt. Schon vor Beginn der Corona-Epidemie war es für die Mehrheit unserer Kolleg:innen Alltag zu wissen, dass bei Ausfall von Personal kein Ersatz kommt. Dies führte entweder zu inzwischen nicht mehr tragbaren Überstunden, qualitätsverringerndem Ersatzpersonal oder schlicht und einfach der Unterwanderung des eigentlich im Landesgesetz vorgeschriebenen Personalschlüssels.

Ad 3): Eine raschestmögliche Entbürokratisierung wäre ebenfalls ein wichtiger Schritt, um die Zeit des Personals im tatsächlichen Kinderdienst zu erhöhen. Ein wichtiger Bestandteil davon ist die Ausweitung der Leiter:innenfreistellung, die immer noch ungenügend umgesetzt wird bzw. noch nicht wirklich ausreichend ist. Ideal wäre eine Freistellung von 75% ab der 4. Gruppe und ab der 5. Gruppe zu 100%.

Eine weitere kurzfristige Entlastung könnte auch die Ausweitung des Verstärkungspools, der ab September 2022 eingeführt wird, bieten.

Die in Ihrem Maßnahmenpaket anvisierte Senkung der Kinderhöchstzahl ist natürlich ein extrem wichtiges Kernstück, wir müssen aber darauf hinweisen, dass es auch in Kinderkrippen Notwendigkeit zur Verbesserung gibt, u.a. durch eine Veränderung des Punktesystems: Kinder von 0-1 Jahren müssen mit zwei Punkten berechnet werden, da der nötige Aufwand für Entwicklungsbegleitung, Bindungs-, Beziehungs- und Pflegezeit wesentlich höher ist. (…)”

Steirischer Berufsverband für Elementarpädagogik, #kinderbrauchenprofis und Initiative für elementare Bildung, 11.8.2022